VON HANNS-GEORG RODEK
FILMFONDS
Schreck statt Shrek für Dresdner-Bank-Anleger
Nicht nur die Rendite klang märchenhaft: Die Dresdner Bank bot ihren Kunden 1999 an, ihr Geld in einem Animationsfond anzulegen. Die Versprechungen platzten wie New Economy-Blasen. Und der aus den Geldern entstandene nun anlaufende Kinofilm "Es war k’einmal im Märchenland" ist ein Grauen.
Im Animationsfilm "Es war k'einmal im Märchenland" drängeln sich 92 Figuren auf 74 Minuten.
Es war einmal – so zu beginnen liegt hier nahe – ein Premiumfonds der Dresdner Bank, und in den warfen noch vor der Jahrhundertwende begüterte Bürger viele Markstücke ein, in der Hoffnung, dass sich ihre Münzen schnell vermehren würden – oder sie wenigstens dem Finanzamt ihre verlustgebeutelten Taschen vorzeigen könnten.
Nun, acht Jahre später, sind die Schätze aufgebraucht – und die braven Anleger weiter im Ungewissen. Immerhin können sie seit vorigen Donnerstag im Kino sehen, in was ihre Einlagen – simsalabim! – verzaubert worden sind: in den teuersten deutschen Trickfilm aller Zeiten, „Es war k’einmal im Märchenland“.
Rechte zur Weitervermarktung gesichert
Der Film handelt von den Zauberlehrlingen Munk und Mambo, welche die wohlgeordnete Grimmsche Märchenwelt aufmischen. Die ewigen Verlierer, vom bösen Wolf bis zur hässlichen Hexe, erblicken ihre Chance auf ein Happyend und ergreifen die Macht.
Das Märchenland einerseits und das Wolkenkuckucksheim der New Economy auf der anderen, sie weisen in dieser Fonds-Geschichte bemerkenswerte Ähnlichkeiten auf. Munk und Mambo und die Dresdner: Allesamt hatten sie keine Ahnung, was ihnen bevorstand.
1999 schien es eine gute Idee, geschätzten Kunden einen Animationsfonds zu offerieren. Ein Gutachten bestätigte nicht nur das Marktpotenzial für Zeichentrick, sondern auch die Richtigkeit des geplanten Sonderwegs, der darin bestand, nicht nur Filme herzustellen, sondern auch Haupt- und Nebenrechte weltweit selbst zu vermarkten.
Aufträge zahlreich untervergeben
Nun verstand die Dresdner Bank soviel von Trickfilmproduktion und –vermarktung wie Bohlen von Mozart, und der für den Zweck gegründeten Berlin Animation Film GmbH (BAF) – einer Dresdner-Tochter – ging es wenig besser. Aber Expertenwissen lässt sich ja einkaufen.
So ging der Auftrag an die Berliner Greenlight Media AG, die davor immerhin die Serie „SimsalaGrimm“ produziert hatte. Mit Fondsmitteln sollte sie sieben Trickserien sowie einen Kinofilm herstellen. Die eigentliche Arbeit wurde erneut untervergeben, an fünf erfahrene Animationsstudios, welche diverse Gewerke nochmals weiterreichten, an Billiglohnzeichner in Südostasien.
Ganz oben in der Kette stand die BAF, und der standen immerhin (umgerechnet, weil damals noch in Mark) 87 Millionen Euro zur Verfügung, welche fleißige Berater eingesammelt hatten, davon 15 Millionen bei der Investitionsbank Berlin, Tochter der notorisch risikofreudigen Berliner Bankgesellschaft. 70 Prozent von letzterer Summe wurden durch eine Garantie des Landes abgesichert, wodurch aus dem Privatanlegergeschäft auch eine öffentliche Angelegenheit wurde.
Dresdner Bank soll sogar nachinvestiert haben
Was dann geschah, ist für Außenstehende kaum nachzuvollziehen. Die offizielle Sprachregelung lautet, dass im Zuge des Crashs am Neuen Markt die Animationsstudios ins Trudeln und die Produktionen so ins Stocken gerieten. Im Oktober 2002 trennten sich Dresdner und Greenlight, und die BAF übergab sämtliche Projekte der neu gegründeten Berliner Film Companie (BFC), die sich in drei Stockwerken in der Johannisstraße nahe dem Bahnhof Friedrichstraße niederließ und dort bis zu 100 Zeichner beschäftigte.
Zu diesem Zeitpunkt waren die knapp 1600 Anleger bereits verunsichert, deren Einsatz von 25.600 Euro (Mindestwert) bis über eine Million reichte. Gutachten und Gegengutachten duellierten sich, Klagen wurden angedroht, Gerüchte kolportiert. Die Angst grassierte: dass Fondsgeld verpulvert worden sei, die Fertigstellung der Serien und des Kinofilms in Gefahr und die versprochene Rendite ein Märchen.
Eine Überschlagrechnung ging so: BAF produziert sieben Serien mit insgesamt 3500 Sendeminuten, die TV-Minute kostet 8000 Euro, summa summarum 28 Millionen; man schlage noch mal die Hälfte für Vermarktung drauf und lande bei 42. Die Kalkulation für den Kinofilm: 30 Millionen – offiziell – für Produktion, plus mindestens 15 im Verkauf – und die 87 Millionen wären schon verbraten, ohne Sicherheitsmarge. Die Dresdner soll – wovon Insider ausgehen, was die Bank aber dementiert – sogar Geld nachgeschossen haben, um den Fonds über Wasser und ihre Reputation intakt zu halten.
Kosten für Kinofilm stiegen enorm
Auch die 30 Millionen für „Es war k’einmal“ waren eine, sagen wir, stark fluktuierende Zahl. Anfangs sollte der Kinofilm neun Millionen kosten (so Gerhard Hahn, einer der Subunternehmer), an 21 erinnert sich Rainer Söhnlein (der ausführende Produzent von BAF), und nachdem das Projekt von zweidimensional auf 3D umgestellt worden war, sprach die Produktion einmal – Schreibfehler? Verwirrte Buchhaltung? Größenwahn? – gar von veranschlagten 44 Millionen.
Denn beim Pferdetausch mitten im Strom hatten auch die Maßstäbe gewechselt: Obwohl weiter in Berlin-Mitte angesiedelt, wurde „K’einmal“ hollywoodisiert. Der „Shrek“-erfahrene Produzent John H. Williams flog ein, teure Mental-Ray-Rendering-Software musste her, und so stieg und stieg der Kino-Minutenpreis: von landesüblichen 150.000 Euro auf 400.000 (bei 30 Millionen Endpreis) oder gar 600.000 (bei 44). Auch Sigourney Weaver und Sarah Michelle Gellar als englische Stimmen werden das Budget nicht geschont haben.
Laut Fondsplan hätten die Anleger sich nächsten Monat auf einen satten Weihnachtsbonus freuen können; der Emissionsprospekt stellte zwischen 10,9 und 20,2 Prozent in Aussicht. Doch bevor das eintritt, heiraten Rotkäppchen und der Wolf. Eine Anlegerversammlung hat gute Miene zum bösen Spiel gemacht und die Fondslaufzeit bis Mitte 2009 verlängert, damit das verspätete „K’einmal“ weltweit Kasse machen kann. In Amerika kamen seit Januar respektable elf Millionen Euro zusammen.
92 Figuren in 74 Minuten
Dass die 87 Millionen (oder gar mehr) ins Töpfchen zurückkehren, hält inzwischen sogar eine BAF-Sprecherin „für schwierig“. Die Privatanleger dürften ihre Einlagen, unverzinst, trotzdem wieder sehen; Verluste gehen zunächst zu Lasten der Investitionsbank – und damit der arglosen Berliner Steuerzahler. Vielleicht sollten die nun en Masse ins Kino strömen, um die „K’einmal“-Einnahmen zu steigern.
Dazu ließen sich am Startwochenende gerade 17.000 Bundesbürger verführen (sehr bescheidene 80 Besucher pro Kopie) – und sie mögen es bereut haben. 92 Figuren drängen sich in 74 Minuten, darunter elf Hauptcharaktere. Zwar sind viele aus dieser Figurenflut von unserem Hausmärchenschatz bekannt, doch diese Anzahl ist für einen kurzen Spielfilm schlicht unverdaulich.
Dazu kommt ein Erzählton, dessen parodistische Stimmlage haargenau über die Köpfe der Zielgruppe jüngere Kinder hinweg zielt – und zugleich das erwachsene Publikum mit ständig auf die eigene Schulter klopfender Selbstironie aus dem Kino treibt. Schreck statt Shrek, sozusagen.
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Monday, December 10, 2007
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3 comments:
booaaaaaaa, hammer!
über diese geschichte sollte man nen film machen. das ganze ist mal wieder so typisch berlin, frei nach dem motto: " wir balina ham ja kene berje, aber wen wa welche hätten, dann wären dit die größten"
schade nur das die leute mit ihrer politik die infrastruktur in deutschland zerstören.
das hat wohl nichts mit berlin zu tun! das ist typisch deutsche animationskocherei...das "essen" schmeckt fast immer zerkocht und fade.
...Kommentar unserer 12jährigen Tochter "wie blöd sind die denn".
dem habe ich nicht hinzu zu fügen
Beate
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