Tuesday, October 31, 2006
Aus dem Tagesspiegel
POSITIONEN
Wer mit dem Schädel spielt
„Störung der Totenruhe“? Die Debatte um die Soldaten ist heuchlerisch Von Sibylle Tönnies
Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant“ heißt ein lateinisches Sprichwort. Es diente den Römern als Ermahnung, die moralischen Maßstäbe gegenüber Pubertierenden nicht zu hoch zu setzen. Gerade diejenigen, die in diesem Alter Dummheiten machen, sind oft die Besten, und gerade sie sollte man nicht kaputtmachen – diese Weisheit liegt dem Sprichwort zugrunde. Sie wird missachtet, wenn Jahre zurückliegende jugendliche Dummheiten in die Schlagzeilen kommen.
Es ist die Frage, ob Soldaten Mörder sind – auf jeden Fall sind sie Kinder: große Kinder, die noch nicht auf eigenen Füßen stehen, sondern gerade erst unter der Schürze ihrer Mutter hervorgekrochen sind und in der Befehlsstruktur einer Armee nach Geborgenheit suchen. Von jeher stellt das Militär blutjunge Kerle an die Waffen (die Genfer Konvention erlaubt das Einziehen von Fünfzehnjährigen). Von jeher macht sich das Militär die Gehorsams- und Sterbebereitschaft zunutze, die das Ergebnis von Unreife ist. Will man diesen Vorteil nutzen, so darf man sich andererseits nicht über frivole Verspielheit beklagen.
Zum Thema
Denn alles kann man nicht haben: die nützliche Unreife und die nötige Abgeklärtheit, die verbietet, mit einem Schädel dummes Zeug zu machen.
Weiß man denn, was die jungen Medizinstudenten während ihres Praktikums in der Pathologie für Witze machen? Ich habe schon Erstaunliches darüber gehört, wie es am Leichentisch zugeht – wenn keiner guckt. Angeblich ist da auch das Obszöne nicht ausgeschlossen. Erstaunlich sind solche Berichte allerdings nur, solange nicht berücksichtigt wird, wie schwer das psychische System die körperliche Begegnung mit dem Tod verarbeitet. Die Dummheiten, die anlässlich dieser Begegnung gemacht werden, sind wahrscheinlich ganz gesund. Sie verhindern, dass die Eindrücke nach innen schlagen.
Dasselbe gilt – verschärft – für die Jungens, die mitten aus einem harmlosen Alltag gerissen und mit der Möglichkeit, töten zu müssen oder selbst getötet zu werden, konfrontiert sind. Wenn sie dadurch nicht in seelische Abgründe gerissen werden wollen, müssen sie einen frivolen Humor aktivieren. Die Verwegenen unter ihnen können die Gelegenheit, den Tod einmal kräftig auf die Schippe zu nehmen, nicht gut auslassen. Man sollte sie ungestraft lassen.
Man wird sie – wenn man die einschlägige Vorschrift des Strafgesetzbuchs richtig anwendet – auch ungestraft lassen müssen. Eine „Störung der Totenruhe“ setzt nämlich „eine besonders hohe Missachtungskundgebung voraus, mit welcher dem Toten Verachtung entgegengebracht und ihm Schimpf angetan werden soll“. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Nicht einem Toten wurde hier Schimpf angetan. Sondern dem Tod. Seine Hoheit persönlich wurde verarscht. „Fuck you“ wurde ihm, der sich in dem Schädel als seiner Ikone verkörpert, zugerufen. Anders ausgedrückt: Dem Sensenmann wurde der Stinkefinger gezeigt.
Die Reaktion der Öffentlichkeit ist heuchlerisch. Sie verdrängt mit ihrer Empörung, dass sie sich selbst gerade in dem heiklen Bereich von Tabu und Frevel bewegt. Sie verdrängt die Skrupel, die fällig sind, weil sie zulässt, dass Deutschland – ohne angegriffen zu sein – wieder Soldaten in die Welt schickt, die dort offensiv tötend tätig werden. Deutschland ist wieder normal geworden – in der Weise, dass es den Schwur gebrochen hat, den es nach dem Zweiten Weltkrieg abgelegt hat: Nie wieder Krieg! Das Tötungs- Tabu sollte diesem Volk in Zukunft absolut heilig sein. „Kein Deutscher soll jemals wieder einen Helm tragen“, hatte Konrad Adenauer gesagt, und nur aufgrund dieses Schwurs waren die Deutschen imstande, nach 1945 wieder ihr gesenktes Haupt zu heben.
Wenn ein Tabu gebrochen wird und die Angst vor Frevel aufkommt, werden Sündenböcke gebraucht. Man macht sich sauber, indem man sie verdrischt. So schicken die Deutschen ihre Jungens wieder hinaus in den bösen alten Tanz – aber erlauben ihnen nicht, die damit verbundenen Belastungen auf ihre jugendliche Weise, nämlich frivol und obszön, zu kompensieren. Sie dürfen töten – aber sie dürfen sich nicht dadurch entlasten, dass sie den Tod auf die Schippe nehmen.
Die Autorin ist Juristin
und Lehrbeauftragte
an der Universität Potsdam.
Wer mit dem Schädel spielt
„Störung der Totenruhe“? Die Debatte um die Soldaten ist heuchlerisch Von Sibylle Tönnies
Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant“ heißt ein lateinisches Sprichwort. Es diente den Römern als Ermahnung, die moralischen Maßstäbe gegenüber Pubertierenden nicht zu hoch zu setzen. Gerade diejenigen, die in diesem Alter Dummheiten machen, sind oft die Besten, und gerade sie sollte man nicht kaputtmachen – diese Weisheit liegt dem Sprichwort zugrunde. Sie wird missachtet, wenn Jahre zurückliegende jugendliche Dummheiten in die Schlagzeilen kommen.
Es ist die Frage, ob Soldaten Mörder sind – auf jeden Fall sind sie Kinder: große Kinder, die noch nicht auf eigenen Füßen stehen, sondern gerade erst unter der Schürze ihrer Mutter hervorgekrochen sind und in der Befehlsstruktur einer Armee nach Geborgenheit suchen. Von jeher stellt das Militär blutjunge Kerle an die Waffen (die Genfer Konvention erlaubt das Einziehen von Fünfzehnjährigen). Von jeher macht sich das Militär die Gehorsams- und Sterbebereitschaft zunutze, die das Ergebnis von Unreife ist. Will man diesen Vorteil nutzen, so darf man sich andererseits nicht über frivole Verspielheit beklagen.
Zum Thema
Denn alles kann man nicht haben: die nützliche Unreife und die nötige Abgeklärtheit, die verbietet, mit einem Schädel dummes Zeug zu machen.
Weiß man denn, was die jungen Medizinstudenten während ihres Praktikums in der Pathologie für Witze machen? Ich habe schon Erstaunliches darüber gehört, wie es am Leichentisch zugeht – wenn keiner guckt. Angeblich ist da auch das Obszöne nicht ausgeschlossen. Erstaunlich sind solche Berichte allerdings nur, solange nicht berücksichtigt wird, wie schwer das psychische System die körperliche Begegnung mit dem Tod verarbeitet. Die Dummheiten, die anlässlich dieser Begegnung gemacht werden, sind wahrscheinlich ganz gesund. Sie verhindern, dass die Eindrücke nach innen schlagen.
Dasselbe gilt – verschärft – für die Jungens, die mitten aus einem harmlosen Alltag gerissen und mit der Möglichkeit, töten zu müssen oder selbst getötet zu werden, konfrontiert sind. Wenn sie dadurch nicht in seelische Abgründe gerissen werden wollen, müssen sie einen frivolen Humor aktivieren. Die Verwegenen unter ihnen können die Gelegenheit, den Tod einmal kräftig auf die Schippe zu nehmen, nicht gut auslassen. Man sollte sie ungestraft lassen.
Man wird sie – wenn man die einschlägige Vorschrift des Strafgesetzbuchs richtig anwendet – auch ungestraft lassen müssen. Eine „Störung der Totenruhe“ setzt nämlich „eine besonders hohe Missachtungskundgebung voraus, mit welcher dem Toten Verachtung entgegengebracht und ihm Schimpf angetan werden soll“. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Nicht einem Toten wurde hier Schimpf angetan. Sondern dem Tod. Seine Hoheit persönlich wurde verarscht. „Fuck you“ wurde ihm, der sich in dem Schädel als seiner Ikone verkörpert, zugerufen. Anders ausgedrückt: Dem Sensenmann wurde der Stinkefinger gezeigt.
Die Reaktion der Öffentlichkeit ist heuchlerisch. Sie verdrängt mit ihrer Empörung, dass sie sich selbst gerade in dem heiklen Bereich von Tabu und Frevel bewegt. Sie verdrängt die Skrupel, die fällig sind, weil sie zulässt, dass Deutschland – ohne angegriffen zu sein – wieder Soldaten in die Welt schickt, die dort offensiv tötend tätig werden. Deutschland ist wieder normal geworden – in der Weise, dass es den Schwur gebrochen hat, den es nach dem Zweiten Weltkrieg abgelegt hat: Nie wieder Krieg! Das Tötungs- Tabu sollte diesem Volk in Zukunft absolut heilig sein. „Kein Deutscher soll jemals wieder einen Helm tragen“, hatte Konrad Adenauer gesagt, und nur aufgrund dieses Schwurs waren die Deutschen imstande, nach 1945 wieder ihr gesenktes Haupt zu heben.
Wenn ein Tabu gebrochen wird und die Angst vor Frevel aufkommt, werden Sündenböcke gebraucht. Man macht sich sauber, indem man sie verdrischt. So schicken die Deutschen ihre Jungens wieder hinaus in den bösen alten Tanz – aber erlauben ihnen nicht, die damit verbundenen Belastungen auf ihre jugendliche Weise, nämlich frivol und obszön, zu kompensieren. Sie dürfen töten – aber sie dürfen sich nicht dadurch entlasten, dass sie den Tod auf die Schippe nehmen.
Die Autorin ist Juristin
und Lehrbeauftragte
an der Universität Potsdam.
Saturday, October 28, 2006
Thursday, October 26, 2006
aufRuhr
Saturday, October 21, 2006
Monday, October 09, 2006
Richard Williams' Finders Keepers Gifts and Garbagecans
I'm so glad to see, that "I drew Roger Rabbit" is online on Youtube. Last week in Berlin I had to kill half an hour with my students and we snorkelt YouTube and we stumbled upon it. Check it out, if you haven't done so already: I especially like trhe 2nd part, with Dick's lecture on Walks right in the middle of Soho-Square with his little studio, #13, in the background. Right before "we" moved into The Forum" a former departmentstore in Camden.
Hans and I got quite a few cels from Dick's commercials as presents when we asked for them." Go ahead, take them". Dick himself didn't think of them very highly....The pink Panther-Cel I found one night when I was walking home after a stroll along Oxford Street, after " a hard day's work" and saw two big containers in front of Dick's old studio, filled to the max with stuff that apparently Dick hadn't found worthy enough to take along with him to the new location. The cel, incl. the effects sheet, cut together from scotch tape, was the first thing I pulled from the container. Later at home, I had it framed and it's still hanging over my desk.
Thursday, October 05, 2006
Frankfurt
I'll be in Frankfurt at the bookfair tomorrow, together with other artists talking about storyboards for TV and Commercials I will be giving a talk on Feature-Storyboard. I picked ROGER RABBIT as a subject. Spent a day in the attic today, looking for old stuff.
I will post it here as soon as I am back....found lots of other things, too...
Tuesday, October 03, 2006
German Film School on Youtube
Check out his little film by some of "my" students in Berlin.
I tought them everything they know.
www.wanted-shortfilm.com
I tought them everything they know.
www.wanted-shortfilm.com
Belicta
Monday, October 02, 2006
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